Aus den Akten des Projektstuhl-Skandals - Manifest

Aus dem Prophylaktisch-realistischen Manifest

Kunst ist der Tod der Kunst. Das ist Tatsache und Aufgabe. Nur die Kunst, die in ihren eigenen Auflösungsprozess einwilligt, kann sich selbst überleben.

Welchen Tod soll die Kunst wählen? Was macht sie, wenn ein Schicksalsschlag sie unvorbereitet , noch inmitten ihrer eigenen Kunstausübung niederstreckt? So daß sie, einer Niobe gleich, in der Schwere ihres Getroffenseins, Vom-Kopf-zum-Fuß-Gespaltenseins, auf ewig erstarrt? Keine Hand, die ihre Augenlider zudrückt. Knochenbrechen und Schreddern. Nicht begraben. Kunstwerke wollen nicht begraben sein. Die meisten von ihnen leiden unter Erstickungsangst und Wurmphobie. Sie üben schon zu Kunstzeiten, den Atem anzuhalten und den Würmern ins Auge zu blicken. Ein Bild zum Beispiel in den wunderbarsten Farben hat Tag und Nacht geschrieen, und niemand hat es gehört. Nach Jahrzehnten hat man es ausgegraben: ein Bild des Jammers, erstickt und zerfressen. Würmer kennen kein Pardon. Kunst bedeutet ihnen nichts, rein gar nichts. Fressen sich durch die schönste Leinwand durch.

Verbrennen wäre besser. Es bleiben nur die Metalle übrig, die aus der Asche geholt werden können.

So dramatisch steht es um die Kunst. Also müssen wir einen Schritt zurücktreten und uns überlegen: Wollen wir das der Kunst antun? Dürfen wir sie einfach ihrem Schicksal überlassen? Sind wir nicht Menschen, empathisch und verantwortungsvoll? Gibt es Rechte, gibt es Menschenrechte für die Kunstwerke? Zwingende und andere? Und wenn ja, können diese in allen Ländern der Welt eingefordert werden? Auch von den Besserwissern und Falschgläubigen? Wenn aber nein, was dann? Stürzen wir dann in die Abgründe der Ratlosigkeit? Keine Hoffnung für die Kunst, werden all jene orakeln, die den Abgrund fürchten.

Andere, wie wir, glauben an die Prophylaxe. Also vorbeugen. Vorbeugen ist besser als Heilen. Langsam langsam vorbeugen und nie den Kopf vornüberkippen lassen. Auch das ist Kunst.