Jedes Frühjahr, wenn für die Basler die Vorfreude auf die drei schönsten Tage des Jahres, die Fasnacht natürlich, einsetzt, überkommt mich die Panik, und ich weiß nicht wohin damit. Nacht für Nacht träume ich dann den immergleichen, auswegslosen Fasnachts-Fluchttraum.
Ich stecke zuoberst in einem Hochhaus fest und versuche, den Lift hochzuholen, der aber auf Stunden hinaus besetzt ist. Ich eile ins fensterlose Treppenhaus, doch da quellen sie aus allen Stockwerken, die Fasnachtsflüchtlinge, und wollen alle gleichzeitig hinunter. Sie sind in Panik, wie ich, und daher doppelt so dick wie sonst, und werden noch immer dicker, so dass sie als Ballone den Abgang versperren. Niemand kann mehr vor und zurück.
Plötzlich geht der Morgenstraich los, so gewaltig, dass die Wände erschüttern. Alle schreien: Haltet den Straich! und ringen die Hände. Doch die Drümmeler vom Morgenstraich hören nichts und hauen auf die Felle, dass die Ballone platzen. Da kommt die Erste Hilfe der Hausverwaltung. Sie klebt die Platzwunden mit Rheumapflaster zu. Dann werden alle mit dem Blasebalg auf Vordermann gebracht. Die Pfyfeler aber haben Lunte gerochen. Sie strömen in Tausenderformation herbei. Sie schreien: Pfyfeli her! und wälzen sich den Treppenschacht hoch. Jeder hat eine Maske auf, die so groß ist, dass sie an den Schachtecken anstößt. Die Masken sind ihre Gesichter, die, wo sie anecken, abbröckeln. Aber sie sind unsterblich und steigen auf ihrem eigenen Schutt hoch. Die Ballone sind vor Entsetzen dünn geworden wie Bleistifte, und die Pfyfeler reißen sich um sie. Sie blasen ihnen ganz persönlich den Morgenstraich. Ich rufe: Das geht zu weit! und renne zurück in meine Hochhauswohnung.
Doch vor dem Fenster fliegen die Drümmeler auf ihren Trommeln heran und propellern mit den Stöcken. Der Tambourmajor bläst die Posaune von Jericho. Ich rufe: Gnade, ich bin Klarinettist! Die Drümmeler kreischen vor Schadenfreude und werfen alle Klarinetten über Bord. Unten stampfen die Pfyfeler sie zu Tabak, den sie in ihre Pfyfelis stopfen und genüsslich rauchen. Der Rauch dringt schon aus allen Fenstern. Mit Sirenengeheul fährt die Stadtfeuerwehr vor und legt ein Sprungtuch aus. Alle winken, ich solle springen.
Genau an dieser Stelle bricht der Traum ab, jedesmal, und ich werde nie wissen, ob ich gesprungen bin.